Pressemitteilung
Per Submillimeterteleskop durch die Galaxis: Größte Kartierung kalten Staubs enthüllt
1. Juli 2009
Astronomen haben einen neuartigen Atlas der inneren Regionen unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, vorgestellt, der tausende bis dahin unentdeckter dichter Gebiete kosmischen Staubs zeigt – Gebiete, in denen neue Sterne entstehen können. Die Durchmusterung wurde mit dem APEX-Teleskop in Chile vorgenommen, stellt die bislang vollständigste Kartierung galaktischen Staubs dar und liefert wichtige Daten für Beobachtungen mit dem im Bau befindlichen Verbundteleskop ALMA und dem jüngst gestarteten ESA-Weltraumteleskop Herschel.
Der neue astronomische Atlas trägt den Namen APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy, abgekürzt ATLASGAL (wörtlich “Großräumige Durchmusterung der Galaxis mit dem APEX-Teleskop”). Er zeigt die Milchstraße bei Submillimeter-Wellenlängen (also im Wellenlängenbereich zwischen Infrarotlicht und Radiowellen [1]). Aufnahmen des Weltalls bei solchen Wellenlängen sind ein unabdingbares Werkzeug, um die Geburtsstätten neuer Sterne und die Struktur des sternreichen galaktischen Zentrums zu untersuchen.
“ATLASGAL verschafft uns einen neuartigen Blick auf die Milchstraße. Nicht nur werden wir so untersuchen können, wie sich massereiche Sterne bilden, wir können auch einen Überblick über die großräumige Struktur unserer Galaxis gewinnen”, so Frederic Schuller vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der Leiter des ATLASGAL-Teams.
Die neue Karte überdeckt rund 95 Quadratgrade entlang eines sehr langen und schmalen Streifens der galaktischen Ebene, der 2 Grad breit (entsprechend dem vierfachen des scheinbaren Durchmessers des Vollmonds am Himmel) und über 40 Grad lang ist. Die 16.000 Pixel lange Karte wurde mit der Submillimeterkamera LABOCA aufgenommen, die am von der ESO betriebenen APEX-Teleskop installiert ist. APEX befindet sich auf einer Höhe von 5.100 Metern über dem Meeresspiegel auf dem äußerst trockenen Chajnantor-Plateau in den chilenischen Anden – nur unter solchen Extrembedingungen sind Beobachtungen im Submillimeterbereich möglich. Das Universum ist in diesem Wellenlängenbereich bislang nur sehr unvollständig erforscht, da entsprechende Beobachtungen sowohl extrem trockene Atmosphärenbedingungen wie auch fortschrittlichste Detektortechnologie erfordern.
Das interstellare Medium – die Materie, die sich im Raum zwischen den Sternen befindet – besteht aus Gas sowie aus kosmischen Staubkörnern, die Ähnlichkeiten mit feinem Sand oder Ruß besitzen. Allerdings handelt es sich bei dem Gas um Wasserstoff, der nur vergleichsweise schwierig nachzuweisen ist. Daher halten sich die Astronomen beim Aufspüren dichterer Regionen oft an die – freilich sehr schwache – Wärmestrahlung der kosmischen Staubkörner. Mögen die Staubwolken auch im Bereich des sichtbaren Lichts als Hindernisse in Erscheinung treten, die uns den Blick auf dahinterliegende Regionen des Universums versperren – bei Submillimeter-Wellenlängen erstrahlt der Staub aufgrund seiner Wärmestrahlung deutlich sichtbar.
Die ATLASGAL-Karte deckt insbesondere die dichte Zentralregion unserer Galaxis ab, die von der Erde aus gesehen im Sternbild Schütze liegt und ein supermassereiches Schwarzes Loch beherbergt (vgl. die [englischsprachige] Pressemitteilung eso0846). Diese Region bleibt bei herkömmlichen Beobachtungen hinter einem dunklen Staubschleier verborgen.
Die neue Karte macht außerdem tausende dichter Staubklumpen sichtbar, von denen viele bislang unbekannt waren. Diese Klumpen, die künftigen Geburtsstätten massereicher Sterne, haben typischerweise eine Ausdehnung von einigen Lichtjahren und Massen zwischen zehn und einigen tausend Sonnenmassen. Supernovaexplosionen und die Teilchenwinde heller Sterne haben im interstellaren Medium und nun auch in ATLASGAL ihre Spuren in Form von filamentartigen Strukturen und Blasen hinterlassen.
Besondere Glanzlichter der Submillimeterkarte sind das Zentrum der Milchstraße, die dichte massereiche Molekülwolke Sagittarius B2 und die sich ausdehnende Gasblase RCW120. Das interstellare Medium rund um RCW120 ist dabei, in sich zusammenzufallen, so daß neue Sterne entstehen (siehe dazu die [englischsprachigen] Pressemitteilung eso0840).
“Dieser erste Blick auf ATLASGAL ist höchst aufregend. Im Laufe des nächsten Jahres werden wir die Karte auf die gesamte Milchstraßenebene ausdehnen, soweit sie vom APEX-Standort Chajnantor aus beobachtbar ist, und sie mit Daten des ESA-Weltraumteleskops Herschel kombinieren. Mit diesen Karten werden viele neue Entdeckungen gemacht werden. Außerdem bilden sie die Grundlage für zukünftige Beobachtungen mit ALMA”, erklärt Leonardo Testi von der ESO, Mitglied des ATLASGAL-Teams und europäischer Projektwissenschaftler für ALMA.
Endnoten
[1] Die Karte wurde aus einzelnen APEX-Beobachtungen von elektromagnetischer Strahlung bei einer Wellenlänge 870 µm (0,87 mm) angefertigt.
Weitere Informationen
Die ATLASGAL-Beobachtungen werden in dem Fachartikel von Frederic Schuller et al., „ATLASGAL — The APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy at 870 µm“ beschrieben, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht wurde. ATLASGAL ist ein Kooperationsprojekt des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie, des Max-Planck-Instituts für Astronomie, der ESO und der Universität Chile.
LABOCA (die Large APEX Bolometer Camera, wörtlich die „Große bolometrische Kamera für APEX“), eines der Hauptinstrumente von APEX, ist die weltgrößte bolometrische Kamera (solche „Thermometerkameras“ messen die winzigen Temperaturänderungen, die sich ergeben, wenn Submillimeter-Strahlung auf eine absorbierende Oberfläche fällt, vgl. die [englischsprachige] Pressemitteilung eso0735). LABOCAs weites Blickfeld und hohe Empfindlichkeit machen die Kamera zu einem idealen Instrument für Studien der kältesten Regionen des Weltalls. LABOCA wurde am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn konstruiert.
Das Atacama Pathfinder Experiment (APEX, wörtlich das "Atacama–Pfadfinder–Experiment") ist ein 12-Meter-Teleskop, das auf dem extrem trockenen, 5.100 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Chajnantor-Plateau in den chilenischen Anden betrieben wird. APEX operiert bei Millimeter- und Submillimeterwellenlängen. Das Universum ist in diesem Wellenlängenbereich bislang nur sehr unvollständig erforscht, da entsprechende Beobachtungen sowohl extrem trockene Atmosphärenbedingungen wie auch fortschrittlichste Detektortechnologie erfordern. APEX, das größte Submillimeter-Teleskop auf der südlichen Erdhalbkugel, ist Ergebnis einer Zusammenarbeit des Max–Planck–Instituts für Radioastronomie, des schwedischen Onsala Space Observatory und der ESO. APEX agiert als Pfadfinder für das ALMA-Projekt: Es basiert auf einem ANtennen-Prototyp, der für ALMA entwickelt wurde, und soll eine Vielzahl von potenziellen Zielobjekten für ALMA ausfindig machen.
ALMA, das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (wörtlich der “große Teleskopverbund für den Millimeter- und Submillimeterbereich in [der Wüste] Atacama”), ist ein internationales Observatorium, das in Zusammenarbeit wissenschaftlicher Institutionen Ostasiens, Europas, Nordamerikas und Chiles realisiert wird. Die ESO ist der europäische Partner bei ALMA. ALMA, das derzeit größte astronomische Projekt überhaupt, wird aus 66 Radioteleskopen bestehen, mit denen Radiostrahlung im Wellenlängenbereich von 0,3 bis 9,6 Millimetern aufgefangen werden kann. Das Verbundteleskop wird 2011 seinen wissenschaftlichen Beobachtungsbetrieb aufnehmen.
Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, und VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.
Links
- Wissenschaftlicher Artikel über ATLASGAL
- Mehr Informationen über APEX
- APEX Handout
- Der deutschsprachige Newsletter der Max-Planck-Gesellschaft
Kontaktinformationen
Frederic Schuller
Max-Planck Institute for Radio Astronomy
Garching, Germany
Tel: +49 228 525 126
E-Mail: schuller@mpifr-bonn.mpg.de
Leonardo Testi
ESO
Garching, Germany
Tel: +49 89 3200 6541
E-Mail: ltesti@eso.org
Douglas Pierce-Price
ESO
Garching, Germany
Tel: +49 89 3200 6759
E-Mail: dpiercep@eso.org
Markus Nielbock (Pressekontakt Deutschland)
ESO Science Outreach Network
und Haus der Astronomie
Heidelberg, Deutschland
Tel: +49 6221 528-134
E-Mail: eson-germany@eso.org
Über die Pressemitteilung
Pressemitteilung Nr.: | eso0924de |
Legacy ID: | PR 24/09 |
Name: | Messier 20, Milky Way Galactic Centre, NGC 6334, NGC 6357, Norma Arm, RCW120, Sagittarius B2 |
Typ: | Milky Way : Galaxy |
Facility: | Atacama Pathfinder Experiment |
Instruments: | LABOCA |
Science data: | 2009A&A...504..415S |
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